Rede der Roten Hilfe Heidelberg/Mannheim am 12.04.2021 in Mannheim

Zum Kontext siehe einen Artikel im Kommunalinfo Mannheim.

Heute hat im Amtsgericht Mannheim der erste Prozesstag gegen Locke stattgefunden, der* zusammen mit anderen Aktivist*innen letztes Jahr im August das Großkraftwerk Mannheim (GKM) besetzt hatte. Die unter dem Namen „GKM abschaffen“ agierende Kleingruppe wurde dann von einem brutalen Sondereinsatzkommando der Polizei Baden-Württemberg geräumt und anschließend für etwa 38 Stunden auf Reviere in Mannheim und Heidelberg „verbracht“. Locke war die einzige dieser Personen, deren Identität festgestellt werden konnte. Deshalb stand er* heute vor Gericht; die staatlichen Repressionsorgane sehen sich in der freiheitlich-demokratisch grundierten Pflicht, zumindest jenen Besetzer* zur Verantwortung zu ziehen, dessen* Personalien gesichert festgestellt werden konnten.

Aber: Wofür soll er* „verantwortlich“ sein, worin besteht die „strafrechtliche Relevanz“ seines emanzipatorischen Engagements für Klimagerechtigkeit? Übrig bleiben bei ihm drei Delikte, die es nun - strafbewehrt wie sie zu sein scheinen - zu sanktionieren gilt:

  1. Die „versuchte gefährliche Körperverletzung“ (wegen einer bei ihm* gefundenen Nadel)
  2. Die Vermummung (also der Versuch, in der Pandemie die polizeiliche Identitätsfeststellung zu sabotieren)
  3. Der Hausfriedensbruch.

Aber: Weshalb dies alles?

Das ist aus Sicht von Antirepressionsaktivist*innen eigentlich gar nicht so schwer zu beantworten. Mensch muss sich nur den gesamtgesellschaftlichen, den politischen Kontext vergegenwärtigen, in welchem die öffentlichkeitswirksame Klima- Protest-Aktion stattgefunden hat, die es nun - stellvertretend an Locke - zu verurteilen gilt:

Da ist zunächst die Stadt zu nennen, in der das GKM in bedrohlichen Ausmaßen steht und als Steinkohleverbrennungs- oder Steinkohleverstromungsanlage eine riesige CO2- Dreckschleuder darstellt: Mannheim. Und dann haben wir festzuhalten, dass Mannheim mittlerweile die zweitgrößte Stadt des Bundeslandes Baden-Württemberg ist. Und Ba-Wü wiederum ist nicht nur eines der reichsten Länder der BRD, sondern es ist auch ein Bundesland, in dem - damit korrelierend - das systematische Verunmöglichen emanzipatorischen Engagements, das über die derzeit herrschenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse hinausweist, ganz groß geschrieben wird. Daran hat auch das „Grün“ nichts geändert, das seit Mai 2011 die dominierende Farbe in der Landesregierung Baden-Württembergs ist - und nach der Landtagswahl weiterhin bleiben wird.

Im Gegenteil: Mit den „herrschenden“ Grünen ist in Baden-Württemberg - dem „Ländle der Autobauer“ - alles noch viel schlimmer geworden. Die linke Szene Heidelbergs zum Beispiel musste miterleben, wie ein LKA-Bullenspitzel direkt auf zwei konkrete Zielpersonen aus der Antifaschistischen Initiative Heidelberg angesetzt worden war – offiziell „bestellt“ vom Kriminaldirektor des Polizeipräsidiums der Universitätsstadt. Und wie dann – nachdem dieser zufällig bekannt gewordene Einsatz für „rechtswidrig“ erklärt worden war – die Grünen in plötzlicher Regierungsverantwortung das Landespolizeiaufgabengesetz (PAG), in dem solche verdeckten Ermittlungen geregelt werden, ins noch Willkürlichere frisiert haben: Nach der PAG-Novellierung kann irgendein Beamter auf einer Polizeidirektion, der der Meinung ist, von einem bestimmten Milieu werde in der Zukunft eine substanzielle Gefahr ausgehen können, einen oder mehrere Spitzel beim LKA „bestellen“ lassen, die dann vor Ort in die „Szenen“ eingeschleust werden.

Und 2016 haben die Grünen dann nochmals einen daraufgesetzt: Sie übertrugen das Innenministerium an einen rechtskonservativen Landsmannschaftler. Thomas Strobl ist tatsächlich angetreten, um in Baden-Württemberg mit allem, was von ihm als links eingeordnet oder kategorisiert werden kann, aufzuräumen. Und das macht er als Oberster Dienstherr aller Polizeidienststellen im Ländle und als Herausgeber des so genannten Verfassungsschutzberichtes ganz zur Zufriedenheit seiner grünen Koalitionär*innen. Anstatt faschistische Fake-Gewerkschaften verbieten zu lassen, lässt er sein martialisches Exekutivorgan auf die Antifa-Szene los. Neben brutalen Prügelorgien gegen Demonstrant*innen, Überwachungsmaßnahmen und Hausdurchsuchungen lässt Strobl sogar Antifas einknasten, wie Jo und Dy aus Stuttgart, die seit 2020 ein halbes Jahr in U- Haft saßen bzw. noch immer sitzen. Anstatt die faschistische Kaderschmiede „Normannia zu Heidelberg“ ein für alle Mal zu zerschlagen und ihr von Antisemiten bewohntes Burschenhaus vergesellschaften zu lassen, bemüht er sich darum, dass in dieser Hinsicht nicht allzu viel an die Öffentlichkeit gelangt. Anstatt Geflüchteten eine zumindest menschenwürdigere Ankunft zu ermöglichen, lässt er so genannte Ankunftszentren am Arsch der Welt bauen und sie - ohne Bindung an „Vorschriften“ - mit NATO-Stacheldraht „sichern“.

Das ist der Innenminister der Grünen, der nur zufällig ein CDU-Parteibuch hat. Und Kretschmann ist der beste Ministerpräsident, den die CDU jemals hatte.

Und dass die baden-württembergischen Grünen da keine Ausnahmeerscheinung sind, zeigt ein Blick nach Hessen, wo die schwarz-grüne Landesregierung mit mörderischer Gewalt die Klimaproteste im Danni zu zerschlagen versuchte. Regelmäßig gefährdeten die enthemmten Cops bei der brutalen Räumung das Leben von Aktivist*innen und verursachten bewusst schwerste Körperverletzungen; Dutzende Danni-Besetzer*innen wurden über Wochen eingeknastet, und zwei von ihnen sind bis heute in Untersuchungshaft. Das Kalkül der Repressionsorgane ist klar: sie wollen den Widerstand gegen den kapitalistischen Normalbetrieb brechen – koste es, was es wolle. Auf diesem Hintergrund wird es vielleicht verständlicher, weshalb auch emanzipatorische, antikapitalistische Klima-Proteste, die sich in ihren legitimen direkten Aktionen gegen das zerstörerische Handeln der Steinkohleindustrie und für einen sofortigen Stopp der fossilen Energieträger nicht am Bürgerlichen Gesetzbuch oder an Landespolizeiaufgabengesetzen oder am Versammlungsrecht zu orientieren gedenken, ins Visier der Inlandsgeheimdienste, des Staatsschutzes, des Exekutivorgans und schließlich der Urteil sprechenden Justiz geraten; denn für diese regulativen Verwaltungseinheiten der Repression sind diese politischen Praxen immer nur ein Akt der Illegalität, den es weitreichend zu kriminalisieren gilt.

Während das GKM völlig legal weiterhin „eingebunden [ist] in das kapitalistische Wirtschaftssystem und … dazu bei[tragen darf], dass die Lebens- und Einkommensgrundlagen von Menschen in anderen Ländern zerstört werden“.

Keine Kriminalisierung des legitimen Klima-Protests!

Für eine Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit dem GKM Freispruch für Locke!